Yannick Nézet-Séguin: Dirigent aus Leidenschaft!
Von Caroline Rodgers
Im Mai 2017 wird Montreal die 4. Internationale Orchesterkonferenz ausrichten. Dabei wird man mit einem unvergleichlichen Botschafter aufwarten können: Yannick Nézet-Séguin, sowohl vor Ort wie auch auf internationaler Ebene ein Stardirigent.
Obwohl er ein schwer beschäftigter Mann ist, weil er gleichzeitig als künstlerischer und musikalischer Leiter des kanadischen Orchestre Métropolitain, des Philadelphia Orchestra und des Rotterdamer Philharmonisch Orkest agiert und dies in Bälde auch bei der Metropolitan Opera in New York sein wird, liess sich der Maestro nicht lange bitten, diese Botschafterrolle anzunehmen.
„Ich werde vielfach darum gebeten, mich für allerlei Anliegen einzusetzen und ich kann nicht immer zu allem ja sagen, aber als diese Anfrage kam, habe ich angenommen, denn dies liegt mir am Herzen,“ so Yannick Nézet-Séguin. „Dies ist eine wichtige Veranstaltung für Montreal, eine ideale Stadt für diese Konferenz. In Quebec und Montreal haben wir ein dynamisches Orchesterangebot. Wenn Menschen aus der Musikwelt aus aller Welt zu uns kommen, so wird das auf jeden Fall die Aufmerksamkeit auf unser vielfältiges Angebot ziehen, auf das wir stolz sein können. Für uns wird es auch eine Gelegenheit sein, uns von dem beflügeln zu lassen, was es anderswo gibt.“
Diese alle drei Jahre stattfindende Konferenz, deren vierte Auflage sie sein wird, fand 2008 in Berlin, 2011 in Amsterdam und 2014 in Oslo statt. Für die Orchesterwelt ist dies eine hervorragende Gelegenheit, wichtige Themen zu besprechen und verschiedene Lösungen für noch nie dagewesene Herausforderungen austauschen zu können, mit welchen musikalische Einrichtungen im 21. Jahrhundert konfrontiert sind.
„Heute müssen die Orchester sich beispielsweise darum bemühen, das junge Publikum mit Programmen für Kinder und Familien zu begeistern. Dies darf nicht auf Kosten der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen geschehen. Eine Problematik, die mit diesem neuen Trend einhergeht, ist auch das Risiko, dabei unfreiwillig das traditionelle Publikum, das uns seit Jahrzehnten treu ist, zu vergessen.“
In dieser Zeit der Haushaltskürzungen bleibt auch die Frage der Finanzierung ein zentrales Anliegen.
„Es gibt noch viel Unverständnis bei der Begrifflichkeit staatlicher und privater Finanzmittel. Die staatliche Finanzierung ist von Land zu Land sehr unterschiedlich und nicht überall gibt es Wohltätigkeit, aber auch wenn Orchester auf private Gelder zurückgreifen können, entbindet dies die Regierungen nicht völlig von ihrer Pflicht. Der Schwerpunkt der Musiker/innen ist diesbezüglich auch beunruhigend. Diese müssen immer mehr die Rolle von Botschaftern im Gemeinwesen übernehmen und tragen auf ihre Weise dazu bei, Finanzmittel zu finden. Die Verwaltungsräte sollten darauf achten, dass dies nicht zu weit geht, denn die Hauptaufgabe der Musiker/innen besteht in erster Linie nach wie vor darin, Musik zu machen.“
Der Dirigent ist seit zwanzig Jahren Mitglied der kanadischen Musikergilde.
„Man darf nicht vergessen: je mehr wir zusammenhalten, desto stärker sind wir. Es ist wichtig, dass unsere Interessen vertreten werden, damit unsere Rechte in den verschiedenen Bereichen unserer Arbeit geachtet werden, im Großen und im Kleinen. Gleichzeitig müssen wir flexibel sein. Beim Orchestre Métropolitain haben wir viele ungewöhnliche Projekte und es ist beruhigend dabei festzustellen, dass die Gilde dafür offen ist.“
Ein außergewöhnlicher Werdegang
Aus Montreal stammend, absolvierte Yannick Nézet-Séguin ein Studium im Fach Klavier am Conservatoire de Musique von Montreal und begann im Alter von 19 Jahren mit dem Dirigieren des Montrealer Chœur polyphonique. Seit 2000 ist er Musikalischer Leiter des kanadischen Orchestre Métropolitain. Seither arbeitet er sich unermüdlich nach oben. Im Juni 2016 wurde er zum Musikdirektor der Metropolitan Opera von New York ernannt, und wird allmählich ab der Saison 2017-2018 diese Funktion als Nachfolger von James Levine übernehmen.
„Dies ist ein besonders wichtiger Posten, vor allem aufgrund der Größe der Organisation. Was die verfügbaren Mittel betrifft, so ist es die größte Einrichtung klassischer Musik weltweit. Ein großes Opernhaus, das so bekannt ist, stellt eine große Herausforderung dar, aber ich kenne die MET gut, denn ich bin dort schon seit mehreren Jahren als Gastdirigent tätig. Ich fühle mich bereit, diese Herausforderung anzunehmen und ihr musikalisches Schicksal zu bestimmen.“
Dieser neue Posten an der Spitze des größten Opernhauses der Welt wird sicherlich ganz anders sein als das, was der Dirigent bisher erlebt hat, aber er verliert die Bodenhaftung nicht und konzentriert sich auf das Wesentliche.
„Ich habe bei der MET eines verstanden: gleichgültig, ob man Musik in einem Konzertsaal in einem kleinen Vorort oder in der Carnegie Hall macht, es geht in beiden Fällen darum, leidenschaftlich an der Musik teilhaben zu lassen. Den MET-Musiker/innen ist dies sehr wichtig und das hat mir in meiner Ausbildung sehr geholfen. Auch wenn ich an der MET sein werde, werde ich deswegen nicht die Art und Weise ändern, wie ich Musik mache. Ich bin immer noch derselbe Yannick.“
Schon früh in seiner Laufbahn ist dieser Jungvierziger zu Ruhm und Ansehen gekommen, aber es ist immer noch die Liebe zur Musik, die ihn in erster Linie antreibt.
„Ich spüre immer mehr, dass man in unserer Welt der Musik leicht vergisst, warum man letzlich diesen Beruf ausübt. Dieser Grund ist diese unglaubliche Liebe, die durch die Musik vermittelte Weltanschauung, welche voller Schönheit, Träume, aber auch Schmerz ist, vermittelt wird. Diesem Schmerz wohnt trotzdem die Schönheit inne und die Musik tröstet uns, sie tut uns gut und heitert uns auf. Als Dirigent muss man sich immer mit den Musikern diesem Zustand hingeben. Daher ist es das Wichtigste, sich ausdrücken zu können und unsere Gefühle nicht zu verbergen. Dies ist vielleicht mein wichtigster Charakterzug, dass ich meine Liebe zur Musik nicht zensieren lasse, wenn ich auf dem Podium stehe. Ich hoffe, dass immer mehr Dirigenten sich daran erinnern, dass dies in erster Linie unsere Aufgabe ist.“
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FEDERATION of MUSICIANS